"Superimposition"
- Eva Hertzsch und Adam Page
Jan
Winkelmann
Die geneigten im
mittelalterlichen Siena flanierenden Toskana-Touristen werden das im Rahmen der
Ausstellung „Germania“ von Eva Hertzsch und Adam Page an der
rückwärtigen Fassade des Palazzo delle Papesse installierte
Tiefgaragentor womöglich leicht irritiert zur Kenntnis nehmen. Dies zum
einen weil es im Zentrum von Siena so gut wie keinen Verkehr gibt, der eine
unterirdische Garage in der durch Zufahrtskontrolle und Überwachungsanlage
implizierten Größe notwendig erscheinen läßt und zum
anderen weil die von den Künstlern gewählte Hightech-Gestaltung in
auffallendem Kontrast steht zu den Fassaden der umliegenden Palazzi und
Häusern aber auch zu der ansonsten im Zentrum von Siena vorherrschenden urbanen
Ästhetik. Hertzsch und Page operieren hier auf zwei miteinander verwandten
Ebenen mit existierenden Codes und deren suggestiven Wirkung. Sowohl die
Gestaltung der Einfahrt, die an zeitgemäßen technischen wie auch
ästhetischen Standards von großen Unternehmen und Konzernen
angelehnt ist, als auch die durch sie vorgetäuschte Existenz einer
Tiefgarage an sich evozieren beim Betrachter verschiedene Zuschreibungen, die
im größtmöglichen Kontrast stehen zur unmittelbaren städtebaulichen
Umgebung und zu dem für das historische Zentrum von Siena typischen
Infrastruktur von kleinen Geschäften, Restaurants, Cafés und
touristischen Besichtigungszielen. Das durch „Superimposition“
vorgetäuschte Vorhandensein einer Tiefgarage an diesem Ort, wie auch die
Gestaltung ihres nach außen sichtbaren Zugangsoberfläche hat
ebenfalls Auswirkungen auf die Außenwirkung und das Image der
Institution. Die von den beiden Künstlern vermeintlich hinzugefügte
architektonisch-infrastrukturelle Komponente funktioniert in dem beschriebenen
Kontext (der Verkehr im Zentrum von Siena ist stark eingeschränkt und die
Zufahrt für Einheimische nur mit Sondergenehmigungen erlaubt) nach einer
ähnlichen Strategie von Exklusivität wie sie vor allem in der Mode
aber auch anderen Luxusgüterbranchen Anwendung findet.
Hertzsch und Page operieren in
diesem, wie auch in ihren bisherigen Projekten, mit den unterschiedlichen
Oberflächen, die öffentliche urbane, soziale und vor allem
architektonische Räume bieten. Ihren künstlerischen Interventionen in
vorhandene Strukturen geht eine intensive Recherche und eine Analyse deren
jeweiligen städtebaulichen, historischen und gesellschaftlichen Kontextes
voraus. Auf dieser Basis entwickeln sie ihre Projekte, die sie selbst als „konstruktive
Vorschläge“ und „kritische Provokation“ beschreiben.
Dabei implementieren sie funktionale Räume oder Strukturen, die die
vorgefundenen „Situationen“ im öffentlichen Raum sowohl
ergänzen, diese gleichzeitig aber auch kritisch in Frage stellen bzw.
konterkarieren. Mit ihrem Projekt für den Palazzo delle Papesse erweitern
die beiden Künstler ihre künstlerische Praxis, indem sie einen realen
Funktionszusammenhangs lediglich simulieren und damit eine Oberfläche
schaffen, die die bereits beschriebenen, ihr zugrundeliegende ortsspezifische
Konstellation, aber auch die davon unabhängigen und darüber
hinausgehenden Rezeptionsstrukturen und Assoziationsmechanismen hinterfragt.
Veröffentlicht
in der begleitenden Publikation zur Ausstellung "GERMANIA", Palazzo delle Papesse,
Siena, 2001
© 2001 Jan
Winkelmann