What the fuck is ?

Jan Winkelmann

An der Nord-West-Fassade – der, wie man so schön sagt, Schokoladenseite – der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig strahlt dem ahnungslosen Passanten ein in weißen Neonlettern gefertigter Sinnspruch entgegen: „be good, be bad, just be“. Dem geneigten Betrachter mag dieser Slogan aus der trendsettenden Parfumwerbung durchaus geläufig sein, doch wo sie dort, das vermeintliche Lebensgefühl einer ganzen Generation in sechs Worten zu kondensieren sucht, verweist die Adaption jener neo-existentialistischen Anschauung in Form einer Leuchtreklame auf der Fassade einer neu eröffneten Institution über ihren ursprünglichen Kontext hinaus zurück auf das [Selbst-]Verständnis der Galerie.

Jene von Sylvie Fleury, in ihrer dauerhaft installierten und nicht zur Ausstellung gehörenden Arbeit, angewandte Strategie, einen Bezug zur außerkünstlerischen Wirklichkeit zu schaffen, diese zu adaptieren, zu rekontextualisieren und ihr somit einen veränderten, neuen Sinn zu geben, ist eine in der Kunst der neunziger Jahre weit verbreitete Strategie, vorzugsweise von Künstlern der jüngeren Generation. Wo sich Fleurys Leuchtschrift noch einem, wenn auch erweiterten Werkbegriff (eine dauerhaft installierte Arbeit im Sinne eines zeitüberdauernden Artefakts) zuschreiben läßt, ist ein immer häufiger wiederkehrendes Moment in der zeitgenössischen Kunstpraxis die Abkehr von traditionellen Werkbegriffen. Weder klassische (Malerei, Skulptur, Photographie) noch moderne (Installation, Performance, Environment) Zuschreibungstermini finden hier ihre Anwendung. Statt dessen werden von Künstlern temporäre Situationen geschaffen, die als offene und kommunikative Prozesse am ehesten zu umschreiben sind. Dies ist nichts vollkommen Neues. Bereits seit Anfang der neunziger Jahre beschäftigen sich Künstler wieder vermehrt damit, konventionelle Methoden der Kunstproduktion zu umgehen. Es geht ihnen weniger um das Schaffen autonomer Kunstwerke, sondern als vielmehr um das Erforschen und Erproben neuer Strategien der Präsentation. Sie greifen auf Strukturen der sozialen Alltagsrealität zurück und stellen Beziehungen zu anderen Bereichen zeitgenössischer Kultur wie beispielsweise der Mode, der Kommunikation oder der Welt des Business her. Diese Kunst nimmt die in den sechziger und siebziger Jahren proklamierte und angestrebte Verschmelzung von Kunst und Leben als gegebene Konstante nicht nur in Kauf, sondern betrachtet sie als eine der Voraussetzungen für ihre kontextuellen und ästhetischen Setzungen.

Nach dem vielbeschworenen Tod der Avantgarde definiert sich künstlerische Praxis heute nicht mehr als antithetischer Gegenentwurf zu bestehenden gesellschaftlichen oder sozialen Verhältnissen. Die Vision für eine bessere Zukunft wurde klammheimlich durch ein Bewußtsein für die Gegenwart ersetzt, ganz im Sinne des bereits erwähnten „just be“. Kunst und Alltag stehen in einem nichthierarchischen Verhältnis zueinander, sie durchdringen sich gegenseitig, ohne – vermeintlich – klare Trennlinien. Diese Kunst ist sozial transparent, da die Künstler ihr individuelles Verständnis der sie umgebenden Lebenswelt zelebrieren und im Kunstkontext inszenieren.

Ausstellungen wie z.B. „Traffic“ in Bordeaux [1996] trugen diesen Entwicklungen bereits Rechnung. Allerdings nicht, ohne in gewissenhaft kunsthistorischer Fasson den theoretischen Backup gleich mitzuliefern. „Relational Aesthetics“ nannte Nicolas Bourriaud in seinem Essay (1) diese neue Kunstform der „realm of relationships“. Sorgsam wurde mit historischen Herleitungen und zeitgenössischen Abgrenzungen ein theoretisches Fundament gebastelt, das diese – bisweilen disparaten – künstlerischen Strategien wieder zusammenführte und sie unterschwellig als neue ‚Strömung‘ proklamierte. Ähnlich wie bei dem Phänomen der Kontext Kunst, hat sich jene begriffliche Definition bisher noch nicht übergreifend durchgesetzt. Kein Wunder, künstlerische Produktion ist viel zu gegensätzlich, als daß man sie über einen Kamm scheren könnte. Dessenungeachtet breitet sich langsam ein merkliches Unbehagen auch bei Kollegen der älteren Generation aus. „Kunst als Dienstleistung“ – so der Untertitel der Ausstellung „Das Ende der Avantgarde“ in München 1995, der viel versprach und nichts davon einlöste – wird von den etablierten Gralshütern der Kunstkritik langsam als neuer Trend lanciert, bleibt aber größtenteils unverstanden. „Luftblasen“ nannte kürzlich ein ansonsten durchaus ernstzunehmender Journalist diese Form der Kunst. Oder, wie unlängst geschehen, werden Künstler wie Rirkrit Tiravanija, der seit mehreren Jahren in den interessantesten Ausstellungen und Institutionen vertreten ist und bereits in Universitätsseminaren behandelt und diskutiert wird, immer noch als „talentierter Nachwuchs“ gehandelt. Falsche Welt. Nicht nur, daß der Nachwuchs bereits auf den kommenden Nachwuchs Einfluß ausübt, wie allenthalben zu erkennen ist, es verwundert auch, daß diese Form der Kunst dennoch unverstanden bleibt, wie in der neuesten Ausgabe der ART zu lesen war. „Kunst als Dienstleistung“, so der Titel des Artikels, unter dem der Chefredakteur persönlich den neuen Trend zu beschreiben und zu fassen sucht. „Vielmehr haben es die Kunst-Dienstleister ausdrücklich darauf abgesehen, das Entstehen ausstell-, handel-, und sammelbarer Gegenstände möglichst zu vermeiden: Das autonome Kunstwerk ist dieser Szene gründlich suspekt.“ (2) Und das scheint dem Schreibenden letztlich wiederum selbst suspekt. Trotz einiger polemischer Einsprengsel versucht er sein Unbehagen zu überwinden und letztlich glückt es ihm, mit Duchamp doch wieder alles ins rechte Lot rücken: „Weil Kunst sein kann, was im Namen der Kunst als solche akzeptiert wird.“ Wenn er es sich da nicht ein wenig zu einfach macht.

Genug der Einrede. ONTOM möchte keinem Trend nachspüren. Die Ausstellung versteht sich weder zukunftsweisend noch ist sie als trendsettend mißzuverstehen. Am ehesten könnte sie im Zusammenspiel mit der Ausstellung [Collection 98] als programmatischer Auftakt der Aktivitäten der Galerie gesehen werden. Nachdem feststand, daß im Obergeschoß des Hauses ein Einblick in das bisherige Gerüst der Sammlung gegeben wird, stellte sich die Frage, wie darauf sinnvoll zu reagieren sei. Eine Grundidee war, daß die Ausstellung im Erdgeschoß sich an die Präsentation der Sammlung einerseits anschließen, sich andererseits aber auch davon abgrenzen sollte. Auf der Zeitachse betrachtet, setzt sie sich – trotz einiger Überschneidungen – in die jüngste Gegenwart fort, indem sie aktuelle jüngere künstlerische Positionen fokussiert. Dem bleibenden Bestand tritt etwas gegenüber, daß sich im Hier und Jetzt manifestiert und keine materiellen Spuren hinterläßt. Fast nichts wird übrigbleiben.

ONTOM hat – wie sonst bei Gruppenausstellungen eigentlich üblich – kein Thema. Sie bietet vieles und doch bei weitem nicht alles. Zu sehen, hören, riechen und schmecken sind Werke von 13 Künstlern, die sich kaum unter einem theoretisch-diskursiven inhaltlichen Begriff subsumieren lassen. Wenn Sie dennoch ohne einen kleinsten gemeinsamen Nenner nicht leben mögen: Allen präsentierten Arbeiten ist gemeinsam, daß sie keine von einem Künstler gestalteten Werke sind (und somit das Gegenteil der in [Collection 98] zu sehenden Artefakte darstellen). Entweder sind es Gegenstände des täglichen Lebens, die durch ihre Präsentation in einer Ausstellung eine semantische Umbewertung erfahren, oder es werden kommunikative Situationen angeboten, mit denen der Betrachter – in einem Falle mehr, im anderen Falle weniger – in einen aktiven Dialog treten kann. Dessen direkte Beteiligung als unmittelbar Handelnder widerspricht dem klassischen, kontemplativen Rundgang, wie wir ihn aus den Museen oder Galerien kennen (und wie er auch im Obergeschoß zu erleben ist). Die Ausstellung bietet kein zurückhaltendes ästhetisches Angebot, auf das man sich ganz nach Belieben einlassen kann oder auch nicht. Der einzelne Betrachter und/oder das Kollektiv wird zum temporären Bestandteil des Werkes, das ohne ihn als aktives Subjekt nur bedingt, oftmals gar nicht „funktioniert“. Daß sich hierbei im ein oder anderen Falle Fragen nach der Funktionsweise von Ausstellungen und Institutionen stellen, ist kalkuliert.

Entmaterialisierung
Die Idee der vollkommenen Entmaterialiserung des Kunstwerkes ist seit der Konzept Kunst in den sechziger Jahren stetig weiter vorangeschritten. Revolutionär war der Verzicht auf die eigenhändige Ausführung der Arbeit durch den Künstler. Die Idee wurde als das eigentliche Werk verstanden, zu deren Realisierung eine Handlungsanweisung – das Konzept – diente. Es spielte keine Rolle, von wem sie letztlich ausgeführt wurde. Ein wichtiger Aspekt der konzeptuellen Kunst war aber immer das Festhalten an visuellen „Ergebnissen“. Der Bezug zum herkömmlichen System visuell-rezipierbarer Kunst blieb bestehen. Nicht so bei Adib Fricke, der eingeladen wurde, den Ausstellungstitel zu schaffen. Seit mehreren Jahren (er)findet er sogenannte ‚Protonyme‘ und ‚aus Wörtern bestehende Einheiten‘. Die von ihm 1994 gegründete Firma „The Word Company“ ist für den Handel und den Verkauf seiner Wörter zuständig. Er versteht diese Wortschöpfungen als Produkte, die er folgerichtig wie reale Gebrauchsgüter vermarktet, distribuiert und verkauft.

Ausstellungstitel werden üblicherweise wie Überschriften genutzt. Sie geben Hinweise auf das Konzept und/oder die der Ausstellung zugrunde liegenden Thematik. Nicht selten funktionieren sie, auf ein Schlagwort verkürzt, als Motto oder sie bieten auf verbaler Ebene – bisweilen assoziative – Informationen über den zu erwartenden Inhalt der Exposition. Frickes Neuwort als Ausstellungstitel zu lizensieren und als solchen zu nutzen, widersetzt sich dieser Norm und setzt die Funktion des Titels außer Kraft. Das Protonym, ein künstliches Wort, das per se inhaltslos, weil referenzlos ist, wird für eine begrenzte Zeit – durch den Gebrauch als Ausstellungstitel – semantisch aufgeladen und kann, nach dem Erlöschen der Lizenz und bei etwaigem Erwerb durch eine dritte Person, eine inhaltliche Umdeutung erfahren. In jedem Falle wird das Wort inhaltlich neu definiert, führt seine Geschichte als Ausstellungstitel aber immer noch mit sich. Als „Exponat“ ist die Arbeit eigentlich nicht zu bezeichnen, da sie lediglich medial präsent ist. Will heißen, es wird sowohl auf Einladungen und Plakaten (in der vorgegebenen Form mit einer den Copyright- oder Trademark-Hinweisen verwandten, als Signatur dienenden Ellipse, der die Abkürzung TWC eingeschrieben ist) oder aber mündlich gebraucht und distribuiert.

Ebenfalls in der Austellung nicht zu sehen, vollkommen ‚entstofflicht‘ und gleichzeitig doch überall präsent, ist Simone Westerwinters Arbeit „nie nie sagen“. Bereits an der Eingangstür empfängt den Besucher ein angenehmer Kaffee-Duft, der zunächst nicht notwendigerweise als zur Ausstellung gehörend wahrgenommen wird. Es könnte ja sein, daß sich ganz in der Nähe der Kasse das obligate Museums-Café befindet. Doch gibt es weder ein Café, noch Kaffee. Der Duft bietet eine reale (olfaktorische) Erfahrung, bleibt letztlich aber doch irreal, nicht zuletzt weil er synthetisch hergestellt ist. Keine chemische Keule, wesentlich subtiler: Die durch Zerstäuber verbreitete Duftflüssigkeit zersetzt etwaige vorhandene (unangenehme) Geruchsmoleküle und ersetzt sie durch den vorgegebenen, konfektionierten Duft (laut Hersteller für Mensch und Tier unschädlich). Bereits Duchamp begeisterte das intensiv würzigen Aroma von Kaffee (in der berühmten Surrealisten-Ausstellung „Exposition Internationale du Surréalisme“, 1938 in Paris, wurde auf einem Ofen Kaffee geröstet): Das realste und alltäglichste Moment in der Ausstellung empfand er als besonders surreal, weil es für ihn das Artifizille der vorhandenen Atmosphäre innerhalb der Ausstellung zusätzlich verstärkte. „Nie nie sagen“ verharrt ebenso im Ambivalenten. Zuerst positiv stimulierend wird der Geruch durch seine Penetranz fast unangenehm. Die positiven Eigenschaften des beliebten Fitmachers und Kommunikationsstifters (ganz im Sinne der allseits bekannten Verwöhn-Aroma-Heile-Welt-Stilisierung) hat er nur in Maßen genossen. Überdosiert macht er nervös, ist streßfördernd und kann bisweilen durchaus gesundheitsschädlich sein.

In Jens Haanings Arbeit „Ausländer frei“ wird die Vorgabe, für die Dauer der Ausstellung Ausländern freien Eintritt zu gewähren, vom Gedanken des entstofflichten Werkes, das aber immer noch als autonome Arbeit gelten kann, auf den institutionellen Rahmen mit sozialen Auswirkungen ausgeweitet. Ganz unscheinbar gibt sich der lapidare Hinweis an der Kasse und doch werden Fragen laut nach dem politischen Selbstverständnis der Institution. Die Aktion verharrt im vielfach Ambivalenten. Ist es nun Gastfreundschaft, Almosen, Parole oder Bekenntnis zu Internationalismus und globalem Denken? Jedenfalls ist diese Arbeit hoch politisch – vor dem Hintergrund von Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhaß, vor allem in den neuen Bundesländern – und, im Hinblick auf die Gewinne der DVU bei der letzten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, mit ungeahntem Realitätsbezug.

Partizipation
Die Beteiligung des Betrachters ist ein zentraler Aspekt der Ausstellung. Das Publikum tritt aus der Rolle des observierenden Unbeteiligten und interessierten Zaungasts in den eigentlichen Mittelpunkt der Arbeit, wird zum Kollaborateur der Werke, indem diese durch es „zum Leben erweckt“ werden. Im 20. Jahrhundert war die Kunst in vielen Phasen von der Beteiligung eines Betrachters abhängig. In den Werken der Minimal Art wurde zum ersten Mal die Präsenz des Betrachters im Verhältnis zur Präsenz der Arbeit reflektiert. Das Bewußtsein über die Rolle des Publikums wurde zu einer der essentiellen theoretischen Leistungen der Minimal Art. Zwei Arten der Partizipation treten bei ONTOM zutage: Im einen Falle wird der Betrachter zum Bestandteil des Werkes, er ist werkkonstituierend, will heißen erst die Beteiligung eines agierenden Betrachters vollendet das Werk. Im anderen Fall ist die Handlung des Betrachters lediglich veranstaltend, d.h. das Werk ist in sich so offen angelegt, daß eine aktive Teilnahme zwar erwünscht und sinnfällig, jedoch nicht zwingend notwendig ist.

Jens Haanings Projekt “Office for Exchange of Citizenship“ ließe sich in die „zweite Kategorie“ einreihen. Das Büro zum Tausch der Staatsbürgerschaft ist vermittelnd, beratend und initiativ tätig. Ihm liegt die Idee zugrunde, daß zwei Bürgern unterschiedlicher Nationalitäten, die sich für die Staatsbürgerschaft des jeweils anderen interessieren, die Möglichkeit gegeben werden sollte, diese gegenseitig zu tauschen. Ein Dienstleistungsangebot im Dienste der Völkerverständigung. Als modellhafter Versuch unterliegt dieses Beratungsangebot nicht dem Druck tatsächlich realisierbar sein zu müssen. Ob die Bemühungen des Künstlers und der ihn unterstützenden und beratenden Juristen erfolgreich sein werden, wird sich zeigen, von vornherein ausgeschlossen ist es jedenfalls nicht, denn es gibt kein Gesetz, das den Staatsbürgerschaftstausch explizit verbietet, allerdings aber auch keines, das ihn erlaubt bzw. vorsieht. Haaning operiert in einer juristischen Grauzone, einem Bereich, den es mit diesem Projekt auszuloten und inhaltlich zu erforschen gilt.

Wo bei Haanings Büro die direkte Initiative des Individuum nicht unbedingt notwendig ist, sondern lediglich ein Angebot darstellt, ist der für den „Erfolg“ des Projektes Sunday’s Air von Plamen Dejanov und Swetlana Heger notwendige fortlaufende Prozeß ohne die Beteiligung Dritter gar nicht denkbar. Dejanov & Heger operieren weniger im gesellschaftspolitischen Bereich, denn im wirtschaftlichen Sektor. Die raumschaffende Plexiglaskonstruktion steht für sich als ästhetisch-puristische Skulptur, dient aber gleichzeitig als Infrastruktur für vier Präsentationsstände mit je neun Quadratmeter Fläche, die wochenweise gemietet und zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden können. Sei es, daß ein Geldinstitut die Wände mit Plakaten bestückt und seine Prospekte zum Mitnehmen bereithält, sei es, daß eine Mode-Designerin die Gelegenheit nutzt, ihre Kreationen im Rahmen einer Ausstellung zu präsentieren oder daß der umtriebige Unternehmer seine neueste Produkt- bzw. Geschäftsidee auf diese Weise einem breiten Publikum vorstellt. Dejanov & Heger erzeugen mit den von ihnen geschaffenen Mietangeboten eine Basis der mehrfachen Wertschöpfung. Ein organischer Dienstleistungs- Finanz-, und Güterkreislauf sichert maximalen finanziellen „Gewinn“, der umgehend in den Aufbau einer Sammlung von Werken sowohl von Künstlerkollegen, als auch von Design-Raritäten aus den sechziger und siebziger Jahren reinvestiert wird und somit den Kreislauf weiter am Leben hält. Panta rhei, alles fließt. Die eigene Arbeit besteht aus der Bereitstellung einer sowohl ästhetischen wie gleichermaßen ökonomischen Struktur. Es geht den beiden Künstlern weniger um die Akkumulation von Werten und schon gar nicht um persönliche Bereicherung, sondern um den Aufbau eines komplexen geschlossenen Systems von einfachsten ökonomischen Vorgängen, die auf die Partizipation und die Handlung des Betrachters angewiesen sind. Obzwar sie Strukturen aus der Wirtschaft adaptieren und sie in den Dienst ihrer eigenen Arbeit stellen, um davon zu profitieren, unterwerfen sie sich nicht deren Zwängen.

Formal ähnlich mag Adam Pages EXECUTIVE BOX erscheinen. Auf dem Sachsenplatz wird ein V.I.P. Raum Interessenten zur Verfügung gestellt. „Ideal für Business oder Vergnügen – für Termine, Handel, Entertainment, als Privatraum oder Treffpunkt“, so der Anzeigentext, der für die Box wirbt. Die Nutzung des Raumes ist kostenlos und auf eine Stunde beschränkt. Sie bietet Ad-hoc-Bedürfnissen den notwendigen Rahmen auf einem öffentlichen Platz in der Innenstadt. Der Standort ist bewußt gewählt. Der Sachsenplatz ist als „real-sozialistische Platzgestaltung“ eine städtebauliche Katastrophe. Eine Wüste im Stadtzentrum, der nur an Markttagen und bei Stadtfesten für die kurzen Augenblicke deren Dauer Leben eingehaucht wird. Page belebt diese Brachfläche für sechs Wochen zusätzlich und schafft mit seinem Angebot eine temporäre Rückzugsfläche im urbanen Raum der Großstadt. Eine neue Infrastruktur in Form eines für verschiedene Bedürfnisse ausgestatteten Containers besetzt visuell unauffällig und – im übertragenen Sinne – demonstrativ den Ort. Die Box kann als ein „Modell in Lebensgröße“ verstanden werden, für die fortschrittlichen Ideen des Künstlers, den stadtplanerischen Groß-Entwürfen von Seiten der Kommune beispielhafte, weil temporäre Nutzungen mit variablen Container-Systemen gegenüberzustellen.

Tilo Schulz klinkt sich in den Kreislauf der sekundären Dienstleistung fast ebenso unauffällig ein. Weniger wie Dejanov & Heger im Hinblick auf die eigene „Sache“, sondern im Dienste der Ausstellung, deren Promotion und Vermittlung er auf einen Bereich ausdehnt, den die Institution mit ihren diesbezüglichen Aktivitäten nicht abdeckt. Schulz beauftragte die an der Ausstellung teilnehmenden Künstler ihm ein Statement zu der in ONTOM gezeigten Arbeit zu schicken. Sie dienen ihm als Motiv für Polo-Hemden, die von den Mitarbeitern der Galerie während der Ausstellung in ihrer Dienstzeit zu tragen sind. Zusätzlich wird von Schulz eine Flyer-Distributions-Promotion initiiert, um in der Leipziger Innenstadt Informationen zur Galerie im direkten „Mann/Frau zu Mann/Frau- Kontakt“ ohne allzu große Streuverluste zu verteilen. Schulz Projekt begreift die Galerie für Zeitgenössische Kunst als ein Produkt, für das in ähnlicher Weise geworben werden kann/sollte, wie es beispielsweise bei der Einführung der neuen A-Klasse oder dem Verteilen von Zigaretten-Proben geschieht. Daneben führt er die unterschiedlichen künstlerischen Positionen mit dem Medium des gestalteten Shirts wieder zusammen und nutzt diese Schnittstelle zwischen den ohnehin benachbarten Bereichen Mode, Merchandising und Kunst als ein Instrument der inhaltlichen Vermittlung.

Wo Tilo Schulz die Randbereiche institutioneller Aufgaben erweitert, führen die Aktivitäten Benita-Immanuel Grossers in das Herz der Galerie zurück. Einmal pro Woche werden an unterschiedlichen – und von Woche zu Woche wechselnden – Orten in den Ausstellungsräumen die Grundlagen des klassischen Yogas vermittelt. Das Projekt besetzt den Zuschauerraum, inmitten der übrigen Werke. Der Zuschauer wird zum Akteur und damit zum Teil eines Prozesses, der für die Dauer der „Lessons“ sowohl mental als auch physisch neue Wahrnehmungsmöglichkeiten bietet. Je weiter er sich mit Hilfe der „Twelve Basic Postures of Yoga“ von der Rolle des Betrachters entfernt und die „Zurückhaltung des Geistes“ eine neue Ebene der Wahrnehmung öffnet, desto größer wird die Diskrepanz zwischen dem Betrachter als Teil des ihn umgebenden Raumes und der Lösung des Geistes von den körperlichen Grenzen. In diesem Zustand wird durch die Konzentration auf das innere Zentrum und die Kontrolle des Körpers eine Veränderung der Eigen- wie Außenwahrnehmung erreicht, die wiederum eine neue Erfahrung des Raumes und der in ihr stattfindenden Ausstellung ermöglicht.

Die Bereitschaft sich mit unter Umständen langfristigen Konsequenzen auf ein Werk einzulassen setzt Simone Westerwinters Work-in-progress „JA“ vorraus. Besucher haben die Möglichkeit sich für ein kostenloses Ja-Tattoo zu entscheiden und dies an Ort und Stelle von einem professionellen Tätowierer ausführen zu lassen. Nichts besonderes denken Sie? Wo doch mittlerweile jeder zweite Körper mit Tattoos und glänzendem Metall verziert ist. Als ein Ausdruck von Individualität und Unangepaßtsein waren Tätowierungen, bevor der Körperkult im Zuge von der Techno- und Rave-Kultur seine hedonistischen Blüten trieb, nur eine Sache von wenigen. Von der Künstlerin bekommen Sie nun ein gleichförmiges und konfektioniertes Tattoo mit der frohen und vieldeutigen Botschaft: JA. Und das schönste daran, es ist für die Ewigkeit und kostet keinen Pfennig. Oder sie probieren erst einmal mit den Klebetattoos, wie man sie aus Jugendzeitschriften und aus dem Kaugummi-Automaten kennt, um dann zu entscheiden, ob der Unterarm, der Hals oder der Po sich am besten eignet für Westerwinters Optimismus-Optimizer. Sagen Sie einfach Ja zum JA. Sie werden es nicht bereuen, der Schmerz beim Stechen garantiert Ihnen für einen kurzen Moment die reale Erfahrung ihrer selbst.

Die Inszenierung der Wirklichkeit
Zeitgenössische Kunstpraxis wie sie in ONTOM vertreten ist, kennzeichnet sich weniger durch ein transzendieren von Wirklichkeit, sondern vielmehr durch das adaptieren von Realität. Das vorgefundene und gesellschaftlich Produzierte genießt – allgemein gesprochen – einen Vorzug gegenüber subjektiver Willkür und Erfindung, wie sie bei traditioneller Kunst zu finden ist. Diese Form der Adaption kennzeichnet eine Strategie, Gegenstände, Handlungsformen und Kommunikationspraktiken aus dem Alltag als eine Art Hilfsmittel zu verstehen, die benutzt werden, um Werke und Situationen zu schaffen, die nicht nur auf Phänomene und Themen der außerkünstlerischen Wirklichkeit rekurrieren, sondern sich auch deren „Sprache“ bedient. Hierbei geht es nicht, wie es beispielsweise bei Werken der Fluxus Künstler der Fall war, um die Verwendung alltäglicher Gegenstände, die mit dem künstlerischen Gebrauch endgültig aus diesem in die künstlerische Realität überführt wurden und dort verblieben. Die von den Künstlern in ONTOM verwendeten Alltagsgegenstände kehren nach der Ausstellung in ihren ursprünglichen Kontext zurück und haben keine Bedeutung, die über ihre eigentliche Funktion hinausgeht.

Ganz in diesem Sinne ist Dan Petermans temporäre Skulptur zu verstehen. Seine Werke fokussieren den Kreislauf von Rohstoffen, vorzugsweise recycelbaren Wertstoffen. Die von ihm geschaffene Skulptur aus Müllcontainern erinnert in ihrer reduzierten Form an minimalistisches Formenvokabular, obgleich ihre Gestalt sich aus der Funktion der Tonnen herleitet und sie sich somit wiederum selbst thematisiert. 640 Mülleimer – ein Quadrat von acht mal acht Tonnen, jeweils zehn Stück ineinandergestapelt – die für die Dauer der Ausstellung ein Werk konstituieren und danach wieder in ihrer eigentlichen Funktion dienen, verdeutlichen auf ebenso einfache wie raumgreifende Weise, das für alle Projekte der Ausstellung gleichermaßen gültige hierarchische Verhältnis von Kunst und Alltag. Selbst aus wiederverwertetem Plastikabfall hergestellt, dienen sie – ineinandergesteckt – als Container ihrer selbst, sind Material und Behältnis gleichzeitig. Gleichsam auf sich selbst verweisend, verweisen sie als Modell des Kreislaufs über sich hinaus in die soziale Realität, des nahezu „unendlichen“ Prozesses der Verwandlung von Materie in Gegenstand zu Funktion und wieder zurück in Material.

Weniger direkt an die soziale Wirklichkeit gebunden und eher bildhaft zu verstehen ist Jes Brinchs und Henrik Plenge Jakobsens Installation „Guru“. Ihre Zusammenarbeit beschränkt sich auf eine einzige Werkgruppe, die als Ergebnisse von Zerstörungen unterschiedlichster Art am besten charakterisiert werden können. Ob ein ausgebrannter Kindergarten, ein in Kleinteile zerlegtes Museums-Café oder ein komplett verwüstetes Büro, der ahnungslose Betrachter ist einem entfesselten Potential von Gewalt und Destruktion ausgesetzt. Brinch & Plenge Jakobsen spielen kalkuliert mit den Gefühlen und Reaktionen der Betrachter indem sie sie mit einem maximal kalkulierten Schock-Effekt aus der Reserve locken. Die Konfrontation mit Bildern, die aus dem Reality TV zwar bestens bekannt und shocking genug sind, entwickelt ohne die schützende Mattscheibe jedoch noch einmal eine ganz spezielle Qualität, insbesondere im Rahmen einer Ausstellung, die man üblicherweise mit ungetrübtem ästhetischen Kunstgenuß gleichsetzt. Das vorgeblich Reale enttarnt sich im selben Moment als inszenierte Bühnensituation (oder halten Sie es für besonders wirklichkeitsnah, daß ein verwestes Skelett in einer frischen Blutlache liegt?). Doch gehen die inhaltlichen Implikationen über den Moment des Schocks hinaus. Sinnbildlich kann das in Szene gesetzte New-Age-Environment als eine Metapher für das Ende gesellschaftsverändernder, utopischer Entwürfe und heilbringender Weltanschauungen verstanden werden. Ob es nun die Parolen von Love, Peace and Unity sind, oder die dynamisch zum sozialistischen Kampf gestreckte Faust: im Scheitern sind sie alle gleich. Der moralisierende Fingerzeig bleibt letztlich aber aus, denn das Ende ist offen. Es könnte ja genauso gut sein, daß jener „Guru“ nicht gemeuchelt wurde, sondern freiwillig – oder gar natürlich – aus dem Leben schied.

Im Gegensatz dazu schaffen sich Vanessa Beecrofts nackte Models ihre eigene, in sich geschlossene, stille Welt, vollkommen losgelöst vom Bezug zur materiellen Wirklichkeit. Sie agieren im Realraum, der sich durch den Betrachter gleichzeitig als Bühne generiert. Die schutzlose Nacktheit ist ambivalent. Einerseits sind sie als voyeuristisches Objekt der Begierde den Blicken der Betrachter ausgesetzt. Im Gegenzug wird durch das selbstbewußte Auftreten und dem offensiven Zurschaustellen der eigenen Schönheit, Anmut und Grazie möglicherweise der Zuschauer zum Irritierten. Im einen, wie im anderen Fall konstruiert die Situation eine scheinbar unüberwindbare psychologische Distanz zum Betrachter. Sowohl im Realraum dessen, als auch innerhalb der inszenierten, von den Mädchen auf ihrer eigenen Bühne geschaffenen Wirklichkeit, bleiben sie losgelöst von jeglicher kommunikativen Anbindung, eingeschlossen im sozialen Vakuum der Teilnahmslosigkeit. Gefangen in ihrer Rolle, changiert die Atmosphäre zwischen geduldig ertragener Langeweile und inszenierter Teilnahmslosigkeit. Das sich – wenn auch langsam – bewegende Bild läßt Beziehungen entstehen, nicht nur zur griechischen Monumentalplastik mit ihrem ästhetischen Formenkanon [das durch die leicht artifizielle Körperfarbe in seiner Künstlichkeit noch verstärkt wird]. Es ist vor allem Helmut Newtons, für die Ästhetik der Aktphotographie in den achtziger Jahre Maßstäbe setzendes Photo „Sie kommen“, auf das sich diese Arbeit bezieht.

Eine theatralische Inszenierung ganz anderer Art bietet Rirkrit Tiravanija. Inspiriert von der Geschichte der Galerie, als Wohnhaus einer wohlhabenden Familie am Anfang dieses Jahrhunderts erbaut, bringt er diese an den Ort ihrer selbst zurück. Der ehemalige Speisesaal wird für die Dauer der Ausstellung an seiner ursprünglichen Stelle in Teilen der Inneneinrichtung nachempfunden. Es wird jedoch nicht nur die räumliche Situation rekonstruiert, sondern darüber hinaus auch eine Handlung, die sich in diesem Rahmen in ähnlicher Form schon einmal abgespielt hat. An einer Tafel sitzt eine Hochzeitsgesellschaft (die Hochzeitsfeierlichkeiten aller sechs Töchter des Erbauers der Villa fanden im Hauses statt), die ein festliches Menü verspeist. Die Szenerie mutet an wie ein Theaterstück, bei dem sich die Bühne im Zuschauerraum befindet. Doch hier wird weder ein Text rezitiert, noch ein Stück aufgeführt. Man ißt, trinkt und betreibt gepflegte Tischkonversation. Zwei miteinander verknüpfte Ebenen werden anschaulich ins Bild gesetzt: Essen als Ausdruck kultureller Identität und Speisen als kommunikativer Katalysator. Der ebenfalls im Raum sich befindende Bratwurstmann, mit seinem einfallsreich konstruierten tragbaren Wurstbraterei-Bauchladen, verbindet den Realraum mit der theatralen, hermetischen Tischgesellschaft. Beide Situationen existieren parallel zueinander im selben raum-zeitlichen Gefüge, obwohl beide gleichermaßen soziale Schauplätze sind, bleiben sie dennoch voneinander getrennt. Es gibt keine Schnittmenge. Der Künstler tritt hier nicht als Autor, sondern als Initiator in Erscheinung. Er schafft die Rahmenbedingungen für eine Situation, die von den Handlungen der Akteure und der Zuschauer, die gleichermaßen ebenfalls Akteure einer anderen Szene sind, eingenommen und gestaltet werden. Indem der Künstler auf eine historische Episode der Geschichte des Hauses zurückgreift, revitalisiert er die Tradition des Ortes auch im weiteren Sinne der kulturellen Tradition der Stadt am Anfang dieses Jahrhunderts.

Eine dieser Vorgehensweise ähnliche Rückbindung an den Ort stellt Sam Samores „Forest of Schizophrenic Love Stories“ dar. In gleichem Maße inszeniert, wurde von ihm eine künstliche Waldlichtung im Inneren des Hauses geschaffen, die ob der schönen Aussicht auf den angrenzenden Johanna-Park zum Verweilen einlädt. Eine Stimme erzählt Märchen, genaugenommen sind es sechs Liebesgeschichten, die zum Teil in einem Wald spielen. Die Situation öffnet dem Betrachter einen ungewohnten Erfahrungshorizont. Man befindet sich auf einer realen Bühne, an einem Ort, wo die Handlung stattfinden könnte. Imagination und suggestive Kraft des Ortes verbleiben im Irrealen: Keine Baumgeister in den Ästen, keiner der Baumstümpfe beginnt zu reden. Sehr schnell hört man Bekanntes, da sich die Plots bisweilen an bereits existierende Märchen anlehnen, doch das vermeintlich Geläufige entpuppt sich schnell als Täuschung, unterschiedliche Erzählstränge sind miteinander verwoben und/oder mit anderen Märchen komplex vermischt. Das Gute siegt so gut wie nie, man wartet vergebens auf das Happy End, das einen beruhigt wieder in die Realität entläßt. Samore inszeniert Fiktion und Täuschung mit Hilfe von kulturellem Volksgut par excellence. Seine Methode ist weniger Ready-made-Strategie, als vielmehr dem aus der Musik- und Club-Kultur bekannten Sampling und Remixing verwandt. In den Märchen dekliniert Samore alle Bereiche zwischenmenschlicher Beziehung. Soziale, biologische und psychologische Bedingtheiten werden in mythischer Form an die zeitgenössische Wirklichkeit angebunden.

Auf ähnliche Weise romantisierend stellt sich Eric Schumachers und Andrea Clavadetschers Projekt dar. Während der Eröffnung fliegt ein Modellflugzeug über den Köpfen der Besucher und schreibt den Ausstellungstitel in den Himmel. Als eine weithin sichtbare Zeichnung, ist das Wort nur für die Vernissage-Gäste verständlich. Der Himmelsschreiber übersetzt das ephemere und vergängliche Moment der Ausstellung auf sinnliche Weise: Ehe der letzte Buchstabe geschrieben ist, hat sich der erste bereits verflüchtigt. Um im Bild zu bleiben: Die beiden Künstler fliegen auf ähnliche Weise zwischen den unterschiedlichen Bereichen kultureller Produktion umher. Sie schaffen Installationen, machen Musik, organisieren Ausstellungen und sie kochen bisweilen für Künstler während des Aufbaus einer Ausstellung. Mit minimalen künstlerischen Eingriffen reagieren sie auf Orte und Situationen, verbinden das Innen mit dem Außen, das Künstliche mit der Natur. Das Ergebnis ist in vielen Fällen unvorhersehbar und bleibt nicht selten bis kurz vor Schluß auf charmante Weise unkalkulierbar. In diesem Sinne wird erst wenige Stunden vor der Eröffnung feststehen, wie das Bild aussehen wird, das sie mit einem Kreidewagen, wie er bei der Markierung von Fußballfeldern Anwendung findet, auf die die Villa umgebenden Grünflächen zeichnen.

Vor dem Hintergrund der in der Ausstellung gezeigten Positionen und hier skizzenhaft beschriebenen Projekte werden über die bereits erwähnten inhaltlichen Aspekte auch Fragen an die Institution und nach dem Begriff der Ausstellung virulent. Wenn wie hier die gültigen Spielregeln zugunsten einer Öffnung nach außen und einer verstärkten Partizipation des Betrachters verschoben werden, mag man sich fragen, wo die Grenze zur tatsächlichen Realität verläuft und ob der Begriff der Ausstellung hier eigentlich noch zutreffend ist. Die Antwort liest sich einfach: Der Bezugsrahmen ist bei dieser Form der Kunst das Entscheidende. Ein Gemälde ist auch außerhalb des Museums ein Gemälde. Der Kaffee-Duft ist hingegen außerhalb der Galerie nicht unbedingt Kunst. Will heißen, die in ONTOM präsentierten Werke sind vom institutionellen Kontext, in dem sie präsentiert werden, abhängig, bzw. dieser ist für ihr Wesen als Kunst konstituierend. Es geht hier weniger um ein Infragestellen der Institution an sich, sondern um eine Erweiterung der Möglichkeiten des Museums. Neue Grenzen werden zwar nicht gefordert, ergeben sich aber zwangsläufig.

(1) Vgl. Nicolas Bourriaud: An Introduction to Relational Aesthetics, in: Traffic [Kat.] Bordeaux 1996.
(2) Alfred Nemeczek: Kunst als Dienstleistung, in: ART. Das Kunstmagazin, Nr. 5/1998, S. 26-37.

veröffentlicht in: ONTOM, Kat. Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig 1998

© 1998 Jan Winkelmann

Englische Übersetzung

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