Ein Gespräch mit Hans-Ulrich Obrist

Jan Winkelmann

Am 9. Juni wird die erste Ausgabe der neuen Biennale Manifesta in Rotterdam eröffnet. In dem offiziellen Rundschreiben wird sie als eine „neue Möglichkeit der Kommunikation in der Bildenden Kunst" beschrieben. Inwiefern wird hier tatsächlich eine neuartige Form der Kommunikation geschaffen?

Manifesta wurde von Kulturpolitikern und Ausstellungsmachern wie u.a. Renè Block, Lilijana Stepancic, Henry Meyric Hughes gegründet. Die Idee war, eine nomadische Biennale zu schaffen, die alle zwei Jahren in einer anderen europäischen Stadt stattfindet. In gleichem Maße wird das Kuratorenteam, das ausnahmslos aus jungen Ausstellungsmachern besteht, alle zwei Jahre gewechselt. Insofern handelt es sich also um eine offene Struktur. Obwohl es sehr kompliziert war, Manifesta so kurzfristig auf die Beine zu stellen, war es gleichzeitig aber auch sehr interessant, keine definierten und festen Strukturen zu haben. Wir sind fünf Ausstellungsmacher, Katalin Néray aus Budapest als Chefkuratorin, Viktor Misiano aus Moskau, Rosa Martinez aus Barcelona, Andrew Renton aus London und ich. Wir haben im Vorfeld zu Manifesta an Orten recherchiert, die man in der Regel nicht aufsucht. Es ging uns hierbei darum, den Habitus zu durchbrechen, immer an die gleichen Orte in Europa zu gehen. Dabei fand ich sehr erstaunlich, wie dynamisch beispielsweise Skandinavien auf einmal ist. Länder wie Dänemark, Schweden, Finnland und Island haben sehr dynamische Kunstszenen mit einigen sehr interessanten Künstlern, aber auch neue Museen, neue alternative Strukturen usw.

Eine ähnliche Erfahrung habe ich in Litauen gemacht. Als ich vor drei Jahren Vilnius besuchte, war ich in höchstem Maße erstaunt, wie gut informiert die Künstler dort sind. Dies um so mehr, als sie aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten nach wie vor noch mehr oder weniger von der westlichen Kunstszene abgeschnitten sind. Aus dieser Situation heraus haben sie sich mit der Baltischen Biennale eine interessante Plattform geschaffen, die in engem Kontakt steht zu den skandinavischen Ländern.

Ich denke, daß es ungemein wichtig ist, die Recherche auszudehnen. In den 80er Jahren sind Ausstellungsmacher immer in die selben drei bis vier Städte gereist, um sich ein Bild von der aktuellen Situation zu machen. Ich bin jedoch der Überzeugung, daß es im Moment sehr viele dynamische Zentren, sowohl innerhalb, als auch außerhalb Europas gibt. Gerade im asiatischen Raum sind es zehn bis zwölf Städte, die eine sehr interessante Kunstszene haben. Seoul ist ein Beispiel dafür, aber auch Bangkok, Tokio oder Taipeh. Die Stadt bleibt, selbst im Zeitalter von Internet, als Versammlungsort, als meeting place sehr wichtig. In Deutschland sieht man das sehr deutlich, wo es eben schon seit Jahren in diversen Städten, ob das Frankfurt, Hamburg, Köln und – in immer stärkerem Maße – auch Berlin ist, mehr und mehr interessante künstlerische Positionen gibt. In der Schweiz haben sich Zürich und Genf zu zwei dynamischen Zentren mit neuen Institutionen und Galerien entwickelt. Das gleiche gilt aber auch für die osteuropäischen Metropolen, die immer wichtiger werden. Sehr interessant ist das Glasgow-Wunder in England, wo sich junge Künstler in der Generation von Christine Borland und Douglas Gordon auf einmal ihre eigenen Strukturen geschaffen haben. Diese Multiplikation von Zentren erfordert vom Ausstellungsmacher eine verstärkte und verlagerte Recherche.

Demnach trägt Manifesta in ihrer inneren, sowie äußeren Struktur dieser Entwicklung erstmals Rechnung. Würdest du sagen, daß dies für eine Biennale zeitgenössischer Kunst die einzig relevante, bzw. mögliche Form darstellt?

Spielregeln verschieben sich immer langsam, so die Art und Weise, wie sich die Großausstellung verändert, erfolgt auch ganz langsam. Manifesta hat natürlich noch sehr viel von dem Typus der Großausstellung. Ich würde sie aber nicht als die ultimative Form der Biennale sehen wollen, sie ist ein Schritt auf einem langen Weg. Alles ist in permanenter Veränderung. Voraussichtlich 1997 oder 1998 findet eine von Nancy Spector, Klaus Biesenbach und mir initiierte Berlin-Biennale statt. Damit werden wir versuchen, diese Entwicklung einen Schritt weiter voranzutreiben. Es ist sehr wichtig, daß sich die alten Strukturen transformieren, daß sie mutieren.

Die Großausstellung ist einerseits eine Art Informationsaustausch, wo auf einmal Dinge in Beziehung zueinander gesehen werden können. Andererseits findet aber auch eine Form der Gleichzeitigkeit von Ereignissen statt, bei der es sehr problematisch werden kann, alles in einer einzigen Institution zu zeigen. In Rotterdam wird der Versuch unternommen, die Künstler in unterschiedlichen Institutionen auszustellen, die dann alle eine Art Museumsmeile bilden, die man wie in einem Spaziergang abschreiten kann.

Der Leitgedanke von Pluralismus und Wechsel spiegelt sich auch in der Vorbereitung zu Manifesta wieder. Die Konzeption der Open Houses, die in ganz Europa stattgefunden haben, wurde zwischenzeitlich aufgegeben, bzw. zu Closed Houses transformiert. Warum war dies notwendig?

Ein Kolloquium macht, wie in der Wissenschaft, nur dann Sinn, wenn es ein ganz spezifisches Thema hat, worauf man sich vorbereitet und es einen Punkt gibt, der genau einkreist werden kann, von dem aus man möglicherweise aber auch ausschweift. Diese Art von Kolloquien, wo öffentlich einfach mal über die Kunst von heute diskutiert wird, halte ich für wenig sinnvoll. Es muß einen Fokus geben. Das große Problem war, daß viele dieser Open Houses die Frage gestellt haben: Was ist Kunst in den 90er Jahren. Das ist aber ein zu weit gefaßter Begriff, der nicht spezifisch genug war.

Die Open/Closed Houses waren ein Teil der Recherche, daneben hat jeder der Kuratoren aber auch auf eigene Faust recherchiert. Wie ist dann letztendlich die Liste der teilnehmenden Künstler zusammengekommen?

Wir haben die einzelnen Veranstaltungsorte je nach persönlichem Interesse unter uns aufgeteilt. Jeweils zwei Kuratoren sind für einen Ort verantwortlich und haben die Künstlerliste erarbeitet. Lediglich für das Witte de With, waren wir alle gemeinsam zuständig. Manifesta als Ganzes ist aber schon als eine kollektiv kuratierte Ausstellung zu sehen.

In Rotterdam wird auch der "Mückenbus" von Rosemarie Trockel und Carsten Höller zu sehen zu sein. Eigentlich ist er jedoch ein Teil des Projektes Art & Brain, das im Rahmen der Akademie des dritten Jahrtausends in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich entstanden ist. Wie kam dieser Dialog der Disziplinen zustande?

Art & Brain organisiere ich zusammen mit Ernst Pöppel vom KFA Jülich. Der Ausgangspunkt war eine Projektwoche zusammen mit Künstlern und Wissenschaftlern. Die Idee zu Art & Brain entstand aus einer gewissen Frustration heraus, die ich mit konventionellen Kolloquien hatte. Das einzig Relevante was bei diesen Kolloquien geschieht, passiert eigentlich immer in den Kaffepausen. In diesen zehn Minuten, in denen man miteinander Kaffe trinkt, entstehen oftmals die interessantesten Diskussionen. Die erste Woche von Art & Brain bestand nur aus solchen Kaffeepausen. Es gab nur die Zwischenräume, d.h. es fand alles statt bis auf das Kolloquium. Die Künstler wurden eingeladen zu recherchieren und die einzelnen Institute des Forschungszentrums in Jülich zu besuchen. Wir wollten eine Möglichkeit schaffen, daß Dialoge zwischen Künstlern und Wissenschaftlern stattfinden können, die sich hoffentlich kontinuierlich weiterentwickeln. Derartige Grenzüberschreitungen gab es ja immer wieder. Der Kunstheoretiker Felix Fénéon ist ein gutes Beispiel für solche Vermittlungsversuche zwischen der Bildenden Kunst und anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Er hatte interdisziplinäre Treffen mit dem Dichter Malarmé, verschiedenen Physikern und Malern wie George Seurat arrangiert, aus denen letztlich der wissenschaftliche Malereibegriff von Seurat entstanden ist. Dieses Moment der Felderverschränkung ging nach dem 2. Weltkrieg ganz verloren und kam erst wieder in den 60er Jahren in Amerika auf. Beispielsweise hatte damals das MIT (Massachusetts Institute of Technology) Warhol und Rauschenberg eingeladen, Projekte mit Wissenschaftlern zu erarbeiten. Bei Art & Brain geht es uns nicht darum, die Grenzen zwischen verschiedenen Disziplinen zu nivellieren oder zum Verschwinden zu bringen. Wichtig ist, daß diese Form von Begegnungen und dadurch wiederum Dialoge stattfinden.

Ist diese Katalysatorenfunktion wirklich notwendig? Ich denke mir, daß ein Künstler, wenn er ein bestimmtes Interesse an wissenschaftlichen Fragestellungen hat, von alleine Kontakt zu den entsprechenden Fachleuten aus diesen Bereichen aufnehmen kann und dies auch tut. Entstand bei Art & Brain durch diesen künstlich herbeigeführten Dialog tatsächlich etwas Neues? Oder wurde bereits vorhandenes Wissen lediglich vertieft?

Sicherlich wurde das Interesse der eingeladenen Künstler an der Wissenschaft nicht erst bei dieser Gelegenheit geweckt. Das war bei allen Künstlern und Autoren bereits angelegt und dies wiederum war die Voraussetzung, bzw. der Grund, warum ich sie ausgewählt hatte. Es wurden gewisse Kontakte geschaffen, durch die ein Netzwerk und eine Form von Kontinuität entstehen kann. Der Dialog geht ja über diese Woche hinaus und findet immer noch statt, so haben Christine und Irene Hohenbüchler einen längeren Briefwechsel mit dem Planzenforscher Stengel, Douglas Gordon hat aufgrund von Art & Brain Diskussionen mit John Latham begonnen, die in Form eines Buches veröffentlicht werden. Das Resultat muß nicht immer eine Ausstellung sein, wie der "Mückenbus" im Deutschen Museum in Bonn. Hierbei handelt es sich um das erste gemeinsame Werk von Carsten Höller und Rosemarie Trockel. Der "Mückenbus" ist ein mit Neonröhren verkleideter, betretbarer VW-Bus, in dem sich 50 Mücken befinden. Der Betrachter kann durch ein telepathisches Verhältnis in einen Dialog mit den Mücken treten, um sie vom Stechen abzuhalten. Nach einem langen Hin und Her zwischen den Künstlern und verschiedenen Spezialisten mehrerer Parasitologischer Institute haben sich Trockel und Höller jedoch entschlossen, den Bus ohne Mücken zu zeigen, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß HIV über Mückenstiche übertragen wird.

Der "Mückenbus" wird ganz bewußt nicht in einem klassischen Kunstkontext gezeigt, sondern in einem wissenschaftlichen Museum, ist dann aber auch, wie bereits erwähnt, in Rotterdam zu sehen. Gibt es andere Projekte, die in verschiedenen Kontexten gezeigt werden.

Ich halte es für sehr wichtig, daß sie in verschiedenen Kontexten zu sehen sind. Wenn der "Mückenbus", wie zur Zeit im Deutschen Museum in Bonn, in einem Wissenschaftskontext auftaucht, wird er auf der Wissens- oder Forschungsseite der Zeitungen besprochen. Manifesta bringt die Arbeit zurück in den Kunstkontext.

Woran arbeitest du im Moment, über Manifesta und Art & Brain hinaus?

In Zusammenarbeit mit der Associazione Zerynthia organisieren Carolyn Christov-Bakarkiev und ich das Projekt Uccelli/Vögel, bei dem sich Ornithologen und Künstler, die sich sehr intensiv mit Vögeln beschäftigen, wie Herbert Brandl, Mat Collishaw, Mark Dion, Jimmie Durham, Carsten Höller, Koo Jeong-A, Rudi Molacek, Rosemarie Trockel und andere, für ein Wochenende in einem Vogelpark in Rom treffen. Hier kann alles passieren, weil nichts passieren muß. In einer Voliere wird eine kleine Ausstellung an der Schnittstelle von Kunst und Ornithologie entstehen.

Do it, das sich seit zwei Jahren entwickelt, ist nach wie vor eines meiner Hauptprojekte. Hier geht es um den Begriff der Handlungsanweisung. Die Handlungsanweisung in der Kunst war eigentlich immer präsent. Bereits bei Rubens ist sie implizit vorhanden. Explizit kam sie zum ersten Mal in diesem Jahrhundert bei Duchamp vor, der aus Argentinien seiner Schwester in Paris telegraphisch mitgeteilt hatte, sie solle auf einem Balkon das Ready-made Malheureux realisieren. Kurz danach hat Moholy-Nagy zum ersten Mal eine Arbeit über das Telephon verwirklicht. Im Zusammenhang mit Fluxus sind Handlungsanweisungen ebenfalls sehr wichtig, beispielsweise bei Alison Knowles, George Brecht etc. In den 70er Jahren wiederum hatte Pistoletto Anweisungen für seine "Cento Mostre" gegeben. Im Gegensatz zu dem eingefrorenen Ready-made, wie dem Flaschentrockener von Duchamp, der heute in einer Glasvitrine im Museum steht, geht es bei do it um den fluiden Ready-made-Begriff, der auch bei Duchamp vorkommt, wie zum Beispiel: "Man nehme ein Lexikon und streiche alle Wörter, die einem mißfallen". Das kann jeder realisieren, auch heute noch. Bei dieser Art von Ready-made bleibt alles fließend.

Do it exisitiert als Museumsversion, Homeversion und für das Fernsehen oder das Internet. Insgesamt sind über 120 Künstler, Autoren und Wissenschaftler in der ganzen Welt daran beteiligt. Die Museumsversion von do it findet momentan gleichzeitig in Reykjavik, Brisbane, Siena und in Helsinki statt. Als nächstes ist America-do it geplant, die durch 40 Institutionen in Amerika tourt, ebenfalls wie eine Asien-do it. Do it hat kein Anfang und kein Ende. Insgesamt findet es in 20 bis 30 Ländern statt, eigenartigerweise jedoch nicht in der Schweiz.

Im Kontext mit den fiktiven Museen, die ich gegründet habe, beispielsweise dem Robert Walser Museum, ist das Nano-Museum. Ein portables Museum, in dem jeden Monat eine andere Ausstellung stattfindet. Zur Zeit ist eine Ausstellung des französischen Filmemachers Chris Marker zu sehen. Hans Peter Feldmann hat die Architektur geschaffen, in dem er den aufklappbaren Bilderrahmen gefunden und zur Verfügung gestellt hat. Die zwölf Ausstellungen, die jährlich stattfinden, werden jeweils Ende des Jahres publiziert. Das Nano- Museum gibt es in zwei Stufen. Im Moment existiert nur eines, das ich allen Leuten, die ich treffe, zeige. Nach der Veröffentlichung kann dann jeder sein eigenes Pocket-Museum machen.

Im Moment arbeite ich an einer Ausstellung und einem Katalog der privaten Bilder von Gerhard Richter, die im Sommer in Nimes stattfindet. Die Ausstellung 100 Bilder versammelt einerseits Bilder der Jahre 1995/96, die bisher nicht gezeigt wurden, wie beispielsweise die neue Werkgruppe "S. mit Kind", ein Städtebild von Jerusalem, eine Engadiner Landschaft oder das erste Selbstportrait von Richter seit den 60er Jahren. Es werden aber auch ältere Arbeiten aus dem Besitz des Künstlers zu sehen sein, die zum Teil bisher noch nie ausgestellt waren.

Bist du neben Deinen Aktivitäten als freier Kurator nach wie vor noch im Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris und im museum in progress in Wien tätig?

Nach einer Pause von sechs Monaten wird meine Reihe Migrateurs im Museé d'Art Moderne de la Villes de Paris im Sommer fortgesetzt. Es handelt sich hierbei um eine mobile Plattform innerhalb des Museum, d.h. die Ausstellungen finden immer an verschiedenen Orten statt, einmal ist es die Cafeteria, das andere Mal die Buchhandlung. Gezeigt werden vorwiegend junge Künstler, deren Ausstellung in diesem Zusammenhang immer die erste Museumsausstellung in Frankreich ist (u.a. Joseph Grigley, Elke Krystufek, Eva Marisaldi, Ugo Rondinone, Rirkrit Tiravanija, Uri Tzaig). Daneben arbeite ich momentan noch an einer Ausstellung über die Situation in England, die im Herbst im Musée d'Art Moderne de la Villes de Paris zu sehen sein wird.

Im Rahmen meiner Tätigkeit für das museum in progress in Wien kuratiere ich unter anderem Vienna Strip, ein Großbild an der Außenwand der Kunsthalle Wien. Nach Gerhard Richter wird nun Douglas Gordon eine Arbeit zum Thema Film, in Form eines Filmstills realisieren. Darüber hinaus läuft die Ausstellungsreihe Travelling Eye, bei der Künstler, die im Bereich Photographie arbeiten, eine Sequenz von jeweils zwei Doppelseiten des Nachrichtenmagazines Profil in vier aufeinanderfolgenden Ausgaben gestalten (z.B. Chantal Ackermann, Gabriel Orozco, Bernhard Fuchs, Felix Gonzalez-Torres, Jean-Luc Moulene). Des weiteren werden die Künstlerseiten in der Tageszeitung Der Standard, wodurch Kunst in der Zeitung zu einer täglichen Praxis wird, fortgesetzt. Sowohl die Ausstellung im Profil, als auch das Projekt im Standard kuratiere ich zusammen mit Stella Rollig.

Neben den Ausstellungsprojekten gibst du auch Bücher heraus. Kürzlich ist das Buch von Gerhard Richter "The Daily Practice of Painting. Writings 1962- 1993" in engischer Sprache erschienen. Was wird als nächstes erscheinen?

Eines der wichtigsten Projekte zur Zeit ist das Buch "Unbuilt Roads", das ich zusammen mit Guy Tortosa vorbereite. Es handelt sich um ein Buch über ca. 150 nicht realisierte Künstlerprojekte im öffentlichen Raum. Wobei hier der Begriff des öffentlichen Raumes sehr weit gefaßt ist und auch Projekte in Medien, wie Fernsehen und Zeitungen einschließt. Ich habe beobachtet, daß oftmals die interessantesten Projekte von Künstlern nicht realisiert werden können, weil sie entweder zu radikal, zu groß oder zu teuer sind. Dabei geht es nicht um den Versuch, einmal mehr das Utopische zu formulieren. Im Gegenteil, das Ganze hat einen sehr pragmatischen Ansatz, da man alle Projekte durchaus realisieren könnte. Es ist gleichzeitig aber auch ein Lese-, bzw. ein Quellenbuch von mehreren hundert Seiten. Die Liste der Künstler umfaßt mehrere Generationen von Louise Bourgeois bis zu ganz jungen Künstlern, die alle bei der Auswahl ihrer Projekte beteiligt sind.

Im Sommer kommt das Buch von Leon Golubs Schriften über Malerei und Politik heraus, in denen er sich gegen den abstrakten Expressionismus und für eine politische Malerei ausspricht. Ende April erschienen zwei Bücher, eines von Peter Fischli & David Weiss, sowie ein Buch von Gabriel Orozco, in der Reihe, die ich im Oktagon-Verlag herausgebe, jeweils in einer Auflage von 900 signierten Exemplaren. Im Herbst folgt ein Buch von Gilbert & George, in der Art eines Daumenkinos. Im Anschluß daran erscheint dann 1997 die bereits erwähnten "Unbuilt Roads".

Das Gespräch fand am 24. April 1996 in Köln statt.

in gekürzter Form veröffentlicht in: Das Kunst-Bulletin, Nr. 7/8, Juli/August 1996

© 1996 Jan Winkelmann

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