Norbert Kottmann, Hausmeister

Jan Winkelmann


Ich schlief und träumte
das Leben sei Freude
ich erwachte und sah
das Leben war Pflicht
ich handelte und begriff
die Pflicht ist Freude.

Rabindranath Tagore

Der aufmerksame Betrachter wird bei seinem Rundgang durch die Ausstellung TIEFGANG. Bildräume im Schloßbunker vergeblich eine Arbeit von Norbert Kottmann suchen, die man den klassischen Disziplinen der Kunst, wie Malerei oder Skulptur, zuordnen könnte.

Und doch ist seine Arbeit gegenwärtig, zwar nicht in Form eines Exponates in herkömmlichen Sinne, als im traditionellen Sinne des Kunstwerks gefertigte Materialisation einer künstlerische Idee. Vielmehr in Form einer ständigen Präsenz während der Ausstellung in seiner Tätigkeit als Hausmeister. Aber auch hier versagen die üblichen Bezeichnungen künstlerischer Arbeitstechniken. Seine Arbeit läßt sich mit der Umschreibung Dienstleistung am besten charakterisieren.

Norbert Kottmanns Beitrag für die Ausstellung ist die Übernahme der Funktion eines Hausmeisters. Für die Dauer der Ausstellung verlegt er seinen Wohnsitz von Düsseldorf nach Mannheim. Seine Wohnung und sein Atelier vermietet er für diese Zeit an einen anderen Künstler.

Durch seine ständige Anwesenheit ergeben sich für Norbert Kottmann eine Reihe von Aufgabenfelder: In der Phase des Auf- und Abbaus steht er den Künstlern als helfende Hand zur Verfügung, übernimmt Instandsetzungsarbeiten, wie z.B. die Restaurierung von Türen, Lichtinstallationen etc. Während der Ausstellung selbst fallen ihm zahlreiche andere Aufgaben zu, beispielsweise kleinere Reparaturen und Ausbesserungsarbeiten, Schlüssel- und Telefondienst, Einweisung und Koordinierung der Aufsichten, die gelegentliche Übernahme von Gruppenführungen durch die Ausstellung, sowie die Funktion als qualifizierter Ansprechpartner für Presse und Kaufinteressenten.

Im Bunker selbst richtet er im Rahmen seiner Tätigkeit vier Räume ein, die von dem Besucher allerdings nicht als Bestandteil einer künstlerischen Arbeit wahrgenommen werden. Es sind dies: ein Wohn- und Schlafraum, ein Büro für die Ausstellungsleitung, einen Sozialraum für Künstler. Während des Auf- und Abbaus dient er als Aufenthaltsraum, weil beheizt und mit einer Kaffeemaschine eingerichtet, Treffpunkt mit Möglichkeiten zur Kommunikation der Künstler untereinander. Für die Dauer der Ausstellung wird hier, die von Kottmann erstellte photographische Dokumentation des Aufbaus präsentiert. Eine Bibliothek, bestückt mit monographischen Katalogen der ausstellenden Künstler, bietet dem Besucher zusätzlich die Möglichkeit sich über einzelne Künstler umfassend zu informieren. Und zuletzt eine Werkstatt, gleichzeitig Material- und Werkzeuglager. Hier werden die gegebenenfalls notwendigen Ausbesserungssarbeiten der Ausstellungsräume vorbereitet, bzw. durchgeführt.

Kottmanns Beitrag ist ohne Zweifel, eine der extremste Positionen innerhalb der Ausstellung. Einerseits verläßt er seine gewohnte Umgebung für zwei Monate, um in einer für ihn fremden Stadt zu leben, und setzt sich freiwillig täglich dem klaustrophen Raumeindrucks des Bunker aus. Andererseits übernimmt er durch seine Aufgabe Pflichten, die er eigentlich nicht übernehmen müßte und handelt somit im Sinne Tagores nach der Maxime "Pflicht ist Freude".

Das Projekt Hausmeister stellt für Kottmann eine demonstrative Handlung mit modellhaftem Charakter dar. Das kreativ-künstlerische Potential des Künstlers wird hier aus dem weitgehend isolierten privaten Arbeitsbereich eines Ateliers in den öffentlich sozialen Raum einer Ausstellung verlagert.

Dieses Modell ist auf andere Ausstellungen jedoch nicht ohne weiteres übertragbar, und erhält hierdurch seinen eigentlichen Sinn. In einem konventionellen Ausstellungsraum, wie einer Kunsthalle, Galerie o.ä. ergeben sich diese, für eine Ausstellung in einem Raum, der ursprünglich nicht für die Rezeption von Kunst vorgesehen ist, spezifischen Aufgabenbereiche nicht.

Um so mehr ist Kottmanns künstlerischer Beitrag von Bedeutung, als er nicht narzißtisch seine eigene Person in den Vordergrund, und somit ins Zentrum aller Betrachtungen stellt, wie es beispielsweise Timm Ulrichs im Sinne des Totalkunstwerkes in den 60er Jahren praktizierte. Vielmehr ist es seine Zeit und Arbeitskraft, die er in den Dienst der Ausstellung stellt, um die sich hieraus ergebenden Pflichten und Tätigkeiten wahrzunehmen. Dabei steht gerade die Dienstleistung als wichtigster Punkt seiner Arbeit im Vordergrund. Er selbst tritt hinter diese zurück, um nicht zuletzt hierdurch demonstrativ neue Arbeitsbereiche und Möglichkeiten künstlerischen Schaffens zu erschließen.

veröffentlicht in: TIEFGANG. Bildräume im Schloßbunker, hrsg. von Roland Scotti und Jan Winkelmann, Mannheim: Signet Verlag 1992

© 1992 Jan Winkelmann

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