Plamen Dejanov & Swetlana Heger

Jan Winkelmann

Ein poppig-bunt gestaltetes Schild kündet fröhlich von der Abwesenheit der Künstler: Swetlana Heger und Plamen Dejanov sind im Urlaub. Nicht zufällig stimmt die Dauer des Urlaubs mit der Laufzeit der Ausstellung "X-Squared" in der Wiener Secession, in der das Schild präsentiert wurde, überein. Der Urlaub des Künstlerpaares war ihr Ausstellungsbeitrag. Dabei handelte es sich keineswegs um eine Verweigerungshaltung gegenüber der kollektiven Präsentation, sondern vielmehr um ein Projekt, das auf mehreren Ebenen mit der im Ausstellungskonzept formulierten Idee korrelierte, unterschiedliche Positionen künstlerischer Praxis zu präsentieren, in die "die dominanten von der Ökonomie, Politik und Massenkultur beeinflußten Sprachen und Strukturen eingeschrieben sind". Darüber hinaus ist "On Holiday" aber auch als eine konsequente Weiterführung ihrer Arbeit zu verstehen. Warum sollen nicht auch Künstler das Recht auf Urlaub und Erholung haben? Ebenso wie die Arbeitsweise der beiden Künstler nicht auf die traditionelle Produktion von Kunstwerken, sondern auf die Darstellung und Verbindung von Wechselwirkungen verschiedener, nicht-künstlerischer Bereiche wie Ökonomie, Kommunikation und Design ausgerichtet ist, verstehen sie ihre Profession als Beruf, dem ähnliche Bedingungen und Strukturen zugrunde liegen wie anderen Berufen auch.

Swetlana Heger & Plamen Dejanovs künstlerische Strategie besteht in der Aneignung bzw. der Übernahme und Anwendung ökonomischer Prinzipien wie der Vermietung, Vermarktung und des Verkaufs. Grundlage eines jeden Projektes ist die Bereitstellung eines Mietangebots. Seien es Plakatwände im öffentlichen Raum, eine Plattform, Präsentationsstände oder die Fertigkeiten der Künstler selbst: durch Vermietung wird Geld eingenommen bzw. Kapital generiert. Die erwirtschaftete Gesamtsumme fließt wieder in die einzelnen Projekt zurück. Will heißen, die Künstler investieren sie in den Kauf von Kunstwerken und Designobjekten, die wiederum auf (oder in) den zuvor vermieteten Flächen bzw. Räumen präsentiert werden. Mit jedem Projekt schaffen sie somit ein geschlossenes System, das als organischer Dienstleistungs-, Finanz-, und Güterkreislauf reale ökonomische Strukturen, künstlerisches Werk und Präsentationsfläche verbindet.

"Plenty Objects of Desire" ist ihr bislang umfangreichstes Projekt und zugleich das komplexeste. Entsprechend des von Barbara Steiner als Kuratorin des Ludwigsburger Kunstvereins umstrukturierten Kunstverein-Konzepts, das nicht auf die Abfolge abgeschlossener Einheiten von zeitlich begrenzten Ausstellungen ausgerichtet ist, sondern die Überschneidung und Durchdringung von lang- bzw. mittelfristigen Projekten favorisiert, haben Heger & Dejanov ein zunächst auf ein Jahr begrenztes Projekt realisiert. Inmitten eines holzvertäfelten Raumes der ehrwürdigen Villa Franck, dem Sitz des Kunstvereins, wurde mit einer pastellgrün lackierten Spanplatte eine Plattform geschaffen, die von Firmen, Privatpersonen und Institutionen wochenweise gemietet werden kann. Grundsätzlich gibt es bei allen Projekten zwei Preismodi, eine "commercial rate" für Firmen und eine wesentlich billigere "non-commercial rate" für Privatpersonen, Künstler und gemeinnützige Institutionen. Wer oder was der jeweilige Mieter auf der Plattform präsentiert, obliegt alleine diesem, d.h. es bestehen weder formale noch inhaltliche Beschränkungen. Den Anfang machte eine Berufskleidungsfirma, deren Gummistiefel, Arbeitshandschuhe und knallgelben Helme einen grellen Kontrast zur vorhandenen Lackierung darstellten. Neben der kommerziellen Nutzung zu Werbezwecken wurde die Plattform aber auch von Künstlern gemietet, die ihre Werke für die Dauer einer Woche dem geneigten Publikum zeigten. Neben diesen gleichermaßen statischen Präsentationen fanden aber auch prozeßhafte Events auf der Plattform statt. So wurde sie z.B. von einem Skatclub gemietet, um darauf an einem Wochenende ein Skat-Turnier durchzuführen. Eine besonders gelungene Idee, bei der mir allerdings nicht bekannt ist, ob sie jemals realisiert wurde, war das Vorhaben eines kreativen Ehemannes, die Plattform seiner Gattin zum Geburtstag zu schenken, damit sie ihre seit Jahren im verborgenen wachsende Sammlung von Pinguinen unterschiedlichster Form und Provenienz eine Woche lang der Öffentlichkeit präsentiere. Mittlerweile wurde das Projekt um ein Jahr verlängert, was mit einer farblichen Veränderung der Lackierung (nun ist sie in einem kräftigen Lila gestrichen) einherging.

Das Langzeitprojekt in Ludwigsburg stellte wiederum den Ausgangspunkt für ein weiterführendes Vorhaben dar. Ende 1998 wird mit den Einnahmen eine Wohnung in Berlin gemietet, die für eine gewisse Zeit als Filiale des Kunstvereins Ludwigsburg mit Vorträgen, Ausstellungen und Filmvorführungen genutzt werden soll. Mit dem Gewinn aus anderen Ausstellungsprojekten die 1997 stattfanden, kauften Heger & Dejanov Werke von Künstlern und Designobjekte, die als Einrichtungsgegenstände für diese Wohnung dienen. Beispielsweise wurde mit den Einnahmen der Ausstellung im Raum aktueller Kunst Wien das Arbeitszimmer eingerichtet, das Wohnzimmer mit ihrer Beteiligung an der Ausstellung "Enter: Audience – Artist – Institutions"" im Kunstmuseum Luzern und die Terrasse mit ihrer Einzelausstellung bei Air de Paris. In allen drei Ausstellungen war zunächst eine leere Plattform zu sehen. Beide Künstler konnten entsprechend ihrer Fertigkeiten honorarpflichtig engagiert werden. Sie waren als ZeichenlehrerIn, KellnerIn, DesignerIn, GärtnerIn und in etlichen anderen Funktionen tätig. Nach und nach wurden die Plattformen mit Ankäufen bestückt. Die Liste der erworbenen Gegenstände und Objekte liest sich mittlerweile beeindruckend. Es finden sich darunter sowohl Werke von Künstlerkollegen und -freunden, wie beispielsweise Fotografien von Sharon Lockhart, eine Lampe von Jorge Pardo und ein Ölbild von Elizabeth Peyton, als auch Designklassiker wie ein Sessel und ein Tisch von Charles und Ray Eames, ein Fernseher von Richard Sapper, Glasobjekte von Venini etc. Allesamt sind dies "Arbeiten, die selbst wiederum den Transfer von Alltagssituationen in den Kunstbetrieb abhandeln" (Rainer Metzger), oder Designobjekte, die zum alltäglichen Gebrauch bestimmt sind und funktionale wie ästhetische Qualitäten vereinen.

Heger & Dejanov verbinden mit ihren Projekten nicht nur unterschiedliche Kontexte, sondern binden diese in ökonomische Funktionszusammenhänge ein, die sie thematisieren, indem sie sich ihrer bedienen. Das Prinzip Vermietung, Ankauf bzw. Sammeln ist sowohl Methode als auch Inhalt. Insbesondere das Sammeln verweist auf den Fetischcharakter, der dem Kunstwerk im Kunstbetrieb zukommt. Heger & Dejanov verweigern sich diesem System, indem sie keine Werke produzieren. Ihre Arbeitsform adaptiert und nutzt gezielt strategisch die Strukturen des Kunstsystems und übt damit "zugleich Kritik an der Autonomie des Kunstwerks, am Subjektstatus des Künstlers und an einem passiven und rezeptiven Verständnis von Publikum und Öffentlichkeit" (Dorothea von Hantelmann). Das Moment des Ästhetischen spielt dabei immer eine entscheidende Rolle. Die von den Künstlern geschaffenen Strukturen sind immer auf den jeweiligen Raum bezogen. Im wesentlichen schlicht und einfach designt, bieten sie als eine präzise gestalterische Leistung einen zurückhaltenden, aber dennoch auffallenden Rahmen für das jeweilige Mietangebot und dem sich daran anschließenden Display der angekauften Objekte, deren Auswahl im wesentlichen auch nach ästhetischen Kriterien erfolgt.

Alle Projekte durchlaufen verschiedene Phasen, die von unterschiedlichen "Aggregatzuständen" gekennzeichnet sind. Zunächst wird ein Mietangebot geschaffen, diesem schließt sich die sich ständig verändernde Benutzung durch unterschiedliche Mieter an. Mit dem Ankauf der durch die Einnahmen finanzierten Objekte folgt dem prozeßhaften ein additiver Vorgang, der nach dem Ende der jeweiligen Ausstellung in ein statisches Moment übergeht. Hier wird die zur Vermietung vorgesehene Struktur zum Präsentationsrahmen, ist gleichzeitig Sockel und Verweis auf die Entwicklung der Arbeit. Die Gebrauchsfunktion der Designobjekte kommt erst wieder zum Tragen, wenn die Arbeit als Ganzes verkauft wird und die Einzelteile gegebenenfalls wieder zum Einsatz kommen oder ihrer Funktion nach genutzt werden.

Das akkumulative Moment der bisher beschriebenen Arbeiten wurde in ihrem jüngsten Projekt "Sunday's Air" um die Möglichkeit des ständigen Wechsels und Austausches erweitert. Für die Ausstellung ONTOM in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig schufen Heger & Dejanov mittels dreier gleich großer Plexiglasscheiben eine Raumkonstruktion, die als ästhetisch-puristische Skulptur für sich steht, aber gleichzeitig als Infrastruktur für vier Präsentationsstände mit je 4,5 Quadratmetern Fläche dient. Drei der Stände wurden vermietet, der vierte blieb den Künstlern vorbehalten. Eine Leuchtreklame gab den Titel wieder, am Boden lagen Flyer, die für die Vermietung der Stände warben und daneben stand der erste Ankauf, ein "Rocking Chair" von Charles und Ray Eames aus dem Jahr 1948. Bis zum Ende der Ausstellung war die Finanzierung für den Ankauf von fünf weiteren Stühlen gesichert. Aus den Plexiglasplatten soll nun ein Regal entstehen, in dem die Stühle, die zu verkaufen sind, präsentiert werden. Mit dem Verkaufserlös wird ein neuer Stuhl gekauft, der den alten ersetzt. Sowohl die vorhandenen als auch die bereits verkauften Stühle werden mit Abbildungen und den jeweiligen Informationen ihrer Geschichte dokumentiert. Im Laufe der Jahre entsteht auf diese Weise sukzessive eine Sammlung von exquisiten Design-Stühlen, die allerdings nicht im Besitz eines einzigen Sammlers ist, sondern sich auf unterschiedliche Sammlungen verteilt. Dabei kommt nur noch der wichtigste Aspekt beim Aufbau einer Sammlung zum Tragen, die der Entscheidung für ein bestimmtes Stück oder Werk. Die Frage des Eigentums ist ausgeklammert, der Begriff Sammlung wird um ein wesentliches Moment reduziert, aber gleichzeitig um die Möglichkeit des Zuwachses durch Tausch bereichert. Es entsteht ein geschlossener Kreislauf von Werten, der dennoch offen ist für permanente Veränderung.

veröffentlicht in: artist Kunstmagazin, Heft 36, 3/1998

© 1998 Jan Winkelmann

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